Wertschätzung als Erfolgsfaktor

Warum Anerkennung für unser Wohlbefinden so wichtig ist - Interview mit Dr. med. Michaela Löbig

 

Wertschätzung ist ein Begriff, der in den letzten Jahren immer häufiger auftaucht. Ist Wertschätzung nur eine Modeerscheinung oder ein lange vernachlässigtes Thema, das endlich die Aufmerksamkeit erhält, die es verdient? Fakt ist: Anerkennung spielt eine entscheidende Rolle für unser Selbstwertgefühl, unsere psychische Gesundheit und sogar unsere Leistungsfähigkeit. 

Besonders am Arbeitsplatz, aber auch in Beziehungen und im gesellschaftlichen Miteinander ist Wertschätzung ein zentraler Faktor für Motivation und Wohlbefinden. Doch was passiert, wenn sie fehlt? Und wie können wir Wertschätzung aktiv in unser Leben integrieren?

Frau Dr. med. Michaela Löbig, Chefärztin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Bad Segeberg, erklärt im Interview, warum Wertschätzung weit mehr als nur ein Trend ist und welche tiefgreifenden Auswirkungen sie auf unsere Psyche hat.

Frau Dr. Löbig, der Begriff „Wertschätzung“ scheint in den letzten Jahren immer populärer zu werden. Ist das eine Modeerscheinung oder ein lange unterschätztes Thema?

„Wertschätzung ist kein neues Konzept, sondern ein essenzielles menschliches Bedürfnis, das lange Zeit unterschätzt wurde. In der modernen Arbeitswelt und Gesellschaft wird ihr aber zunehmend mehr Bedeutung beigemessen, weil wir erkennen, wie sehr sie unser Wohlbefinden, unsere Motivation und unsere mentale Gesundheit beeinflusst.“

Gibt es kulturelle Unterschiede in der Art und Weise, wie Wertschätzung gezeigt wird?

„Ja, definitiv. In einigen Kulturen ist es selbstverständlich, Lob und Anerkennung offen auszusprechen, während in anderen Ländern eher zurückhaltend damit umgegangen wird. In Deutschland wird Wertschätzung oft durch Taten statt durch Worte ausgedrückt, während in den USA oder skandinavischen Ländern regelmäßiges positives Feedback stärker verankert ist.“

Warum ist Wertschätzung besonders am Arbeitsplatz wichtig?

„Wertschätzung steigert die Motivation, verbessert das Arbeitsklima und führt nachweislich zu höherer Produktivität. Mitarbeitende, die sich anerkannt fühlen, identifizieren sich stärker mit ihrem Job und sind seltener krank oder ausgebrannt.“

Welche Folgen kann es haben, wenn Wertschätzung fehlt?

„Fehlende Anerkennung kann zu Frustration, Demotivation und im schlimmsten Fall zu psychischen Erkrankungen wie Burnout oder Depression führen. Menschen brauchen das Gefühl, dass ihre Arbeit und ihr Einsatz gesehen werden – wenn das ausbleibt, kann es langfristig zu ernsthaften Belastungen kommen.“

Wie können Vorgesetzte ihren Mitarbeitenden Wertschätzung entgegenbringen?

„Es muss nicht immer eine große Geste sein – ein ehrliches „Danke“ oder die Anerkennung guter Leistungen reicht oft schon aus. Auch regelmäßige Feedbackgespräche und die Einbindung in Entscheidungen zeigen Wertschätzung und fördern ein positives Arbeitsklima.“

Spielt Wertschätzung auch in Beziehungen eine Rolle?

„Unbedingt! In Partnerschaften führt mangelnde Anerkennung oft zu Konflikten oder Entfremdung. Wer sich wertgeschätzt fühlt, erlebt mehr Verbundenheit und Zufriedenheit in der Beziehung. Einfache Gesten wie Dankbarkeit zeigen oder bewusst Zeit füreinander nehmen, können viel bewirken.“

Kann Wertschätzung helfen, Depressionen vorzubeugen?

„Ja, Wertschätzung stärkt das Selbstwertgefühl und gibt Menschen das Gefühl, gesehen und geschätzt zu werden. Gerade Menschen, die unter Depressionen leiden, haben oft ein negatives Selbstbild – Anerkennung von außen kann ihnen helfen, wieder Vertrauen in sich selbst zu gewinnen.“

Was können Menschen tun, die sich nicht wertgeschätzt fühlen?

„Es hilft, die eigene Wahrnehmung zu hinterfragen: Wird Wertschätzung wirklich nicht gezeigt, oder nehme ich sie nur nicht wahr? Zudem kann man lernen, sich selbst Anerkennung zu geben und bewusst Erfolge wertzuschätzen. In schwierigen Fällen kann auch ein Gespräch mit einer Vertrauensperson oder professionelle Unterstützung sinnvoll sein.“

Kann man Wertschätzung einfordern?

„Ja, aber auf eine respektvolle Weise. Wer das Gefühl hat, dass die eigene Arbeit oder das eigene Engagement nicht wahrgenommen wird, kann in einem Gespräch gezielt um Feedback bitten oder eigene Bedürfnisse ansprechen. Oft sind sich andere gar nicht bewusst, dass Wertschätzung fehlt.“

Haben Sie einen abschließenden Tipp, wie man Wertschätzung in den Alltag integrieren kann?

„Ja, fangen Sie bei sich selbst an: Zeigen Sie anderen Anerkennung – sei es durch ein Kompliment, ein Dankeschön oder ein aufrichtiges Lob. Wer Wertschätzung gibt, wird oft auch selbst mehr davon erfahren. Es sind die kleinen Dinge, die langfristig einen großen Unterschied machen.“

In der Segeberger Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie werden Erkrankungen diagnostiziert und behandelt, bei denen seelische Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Die Klinik liegt eingebettet in das Naherholungsgebiet Holsteinische Schweiz direkt am Großen Segeberger See.

Durch die Verbindung der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie insbesondere mit dem Herz- und Gefäßzentrum, dem Neurologischen Zentrum und der Allgemeinen Klinik entstehen hervorragende Voraussetzungen, auch Patienten mit körperlichen Erkrankungen, ein adäquates integriertes psychotherapeutisches Behandlungsangebot zu machen.